Pfingstbotschaft 2022
von Erzbischof JOHANNES

 

In Christus geliebte Väter, Brüder und Schwestern,

 

Wir sind in die Zeit des Pfingstfestes eingetreten. Es ist die Zeit, in der wir uns an den historischen Augenblick erinnern, als der Geist Gottes über die erste christliche Gemeinde herabkam. Die Apostel „waren alle an einem Ort versammelt“, als sie mit dem Heiligen Geist erfüllt wurden. Das heißt: Die Apostel empfingen den Geist während einer liturgischen Versammlung. Bei uns ist es genauso: Wir leben in der Geschichte, wir erinnern uns an das Vergangene, doch wir aktualisieren während jeder liturgischen Zusammenkunft diesen neuen Augenblick der Geschichte in unserem persönlichen Leben. Das Tun des Heiligen Geistes gehört nicht der Vergangenheit an; es ist Teil der Gegenwart, die in uns Fleisch wird. Die Kirche als erste Gemeinde fährt darin fort, die Christen, geeint und eines Herzens und Sinnes, an einem Ort zusammenzuführen. Und eine jede Zusammenkunft wird dadurch ein immer neues Pfingsten. Wir leben ein immerwährendes Pfingstfest. Ein jedes Sakrament und vor allem das Sakrament der Eucharistie wird zu einer Erscheinung Gottes, einer Offenbarung des Geistes, der Ausgießung der vergöttlichenden Energien über einen jeden von uns.

 

« Wenn der Mensch nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes gelangen » sagt Jesus zu Nikodemus. Bei der Taufe verändert der über das Wasser angerufene Geist dieses Wasser, macht es zum Träger der göttlichen Energien und lässt es das neue Leben im Vater erschaffen. Die Myronsalbung verleiht die Gaben des Heiligen Geistes, denn das Gebet über das Myron wie auch über die eucharistischen Gaben ist eine Epiklese, und, wie es der hl. Gregor von Nyssa sagt, „das Öl und das Brot nach der Heiligung durch den Geist haben jeweils ihre göttliche Energie“. So ist auch die Eucharistie, die uns Sonntag für Sonntag versammelt, der Ort der « Fülle des Heiligen Geistes », der herabgerufen wird über die Gemeinde und über die Gaben. « Wer diesen Leib mit Glauben isst, isst zusammen mit ihm das Feuer des Heiligen Geistes », sagt der hl. Ephräm der Syrer. Das eucharistische Pfingsten lässt uns kommunizieren am verherrlichten Leib Christi, lässt uns teilhaben an diesem vergöttlichten und mit den göttlichen Energien gesättigten Leib. In ihm geschieht die wirkliche Vergöttlichung des Menschen.

 

Wir befinden uns hier in einer dynamischen Perspektive – « wir alle, die wir teilhaben am selben Brot und am selben Kelch, wir sind miteinander eins in der Gemeinschaft des einen Heiligen Geistes » (hl. Maximus), der uns eine allumfassende Verantwortung übergibt.

 

Wie die Apostel den Geist empfingen, um ihn weiterzugeben, so empfängt die christliche Gemeinde wiederum den Geist, um ihn auszustreuen durch ihre eigene Vergöttlichung, « denn das, was der Heilige Geist berührt, ist verändert », wie uns der hl. Cyrill von Jerusalem sagt. Und « er entflammt die Seele unaufhörlich und vereint sie mit Gott » (hl. Basilius), um uns zu Teilhabern zu machen, aber um auch die Welt zur Teilhaberin werden zu lassen « am Kreislauf der dreieinen Liebe » (P. Evdokimov).

 

Die Sendung des Geistes bedeutet, unerschöpfliche Quelle der Gaben und Charismen der Heiligung und der Heiligkeit zu sein, doch das kann er nicht vollenden ohne die ungeteilte Mitarbeit des Menschen. Die Gabe ist gegenseitiger Natur. Der Mensch schenkt sich dem Geist, nicht um ihn zu besitzen, sondern um den Geist ausstrahlen zu lassen, denn « die Freiheit und die Gnade sind zwei Flügel, die den Menschen zum Himmelreich erheben », wie es der hl. Maximus Confessor sagt.

 

Werden auch wir freie Menschen in der Gnade des Heiligen Geistes, der unaufhörlich über uns aufstrahlt. Öffnen wir unsere Augen und unsere Herzen, um sein Licht und seine Wärme zu empfangen. Dann werden wir mit jeder Faser unseres Seins spüren, dass Pfingsten täglich Wirklichkeit wird, dass die Feuerzungen unerschöpflich sind und dass die göttlichen Energien wirklich unser Leben sind. Das an den Heiligen Geist gerichtete Gebet „Himmlischer König“ erlaubt uns an jedem Tag, ihn in uns Wohnung nehmen zu lassen, und wenn der Geist in uns wohnt, leben wir schon im Reich Gottes. Diese Liebe zum Heiligen Geist, der selbst das Leben Gottes ist, wird uns ständig zur Erlangung des Heiligen Geistes antreiben, wie der hl. Seraphim von Sarow empfiehlt; sie ist das Ziel des christlichen Lebens. Dann werden wir zu „Miterben“ Christi, wir werden zu „Söhnen im Sohn“ und finden in ihm den Vater.

 

Euch allen ein heiliges Pfingstfest!

 

 

 

† Metropolit JOHANNES von Dubna,

 

Erzbischof der orthodoxen Kirchen russischer Tradition in Westeuropa

 

 

 

Himmlischer König, Tröster, du Geist der Wahrheit,

 

Allgegenwärtiger und alles Erfüllender,

 

Hort der Güter und Spender des Lebens,

 

komm und nimm Wohnung in uns,

 

reinige uns von jedem Fehl

 

und rette Gütiger, unsere Seelen.

 

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